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von Pfarrer GUIDO KOHLENBERG (Evangelische Kirchengemeinde Bitburg)

Predigttext   Bibelstelle

RÖMER 11 (25-31) 32-36 (Luther 2017)

(25 Ich will euch, Brüder und Schwestern, dieses Geheimnis nicht verhehlen, damit ihr euch nicht selbst für klug haltet: Verstockung ist einem Teil Israels widerfahren, bis die volle Zahl der Heiden hinzugekommen ist. 26 Und so wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht (Jesaja 59,20; Jeremia 31,33): »Es wird kommen aus Zion der Erlöser; der wird abwenden alle Gottlosigkeit von Jakob. 27 Und dies ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde.« 28 Nach dem Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber nach der Erwählung sind sie Geliebte um der Väter willen. 29 Denn Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen. 30 Denn wie ihr einst Gott ungehorsam gewesen seid, nun aber Barmherzigkeit erlangt habt wegen ihres Ungehorsams, 31 so sind auch jene jetzt ungehorsam geworden wegen der Barmherzigkeit, die euch widerfahren ist, damit auch sie jetzt Barmherzigkeit erlangen.)

32 Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme. 33 O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! 34 Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen«? (Jesaja 40,13) 35 Oder »wer hat ihm etwas zuvor gegeben, dass Gott es ihm zurückgeben müsste?« (Hiob 41,3) 36 Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.


Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommen wird!

Liebe Online-Gemeinde,
 

„Ganz Israel wird gerettet werden!“ So könnte man die Botschaft dieser Verse ... zusammenfassen.

 Und schlagartig würden sich (wohl nicht nur) die Theologen zu Wort melden:

  • Das ist aber ungerecht
  • Wieso denn gleich GANZ Israel
  • Also retten – das kann man sich am besten selbst

 Doch „Rette sich wer kann!“ angesichts solcher christl. Ignoranz

 Denn

  • Gott kann gar nicht ungerecht sein

 

Gott ist die Gerechtigkeit in Person, hat sich Gerechtigkeit erst ausgedacht (die übrigens recht wenig mit unserem Verständnis von „gerecht“ zu tun hat) und hat eine Gerechtigkeit im tieferen Sinne erst durchgesetzt – in AT du NT – für den Menschen aber irgendwie auch an ihm vorbei. Vgl Abraham in 1. Mose 15 und Jesus z. B. in Mt 26 und Eph 2,8.

 

  • Ganz Israel – nun, das ist ja „nicht die Welt“

 

„Das kostet doch nicht die Welt!“ sagte meine Großmutter immer. „Das ist doch nicht zu viel!“ hieß das. „Das ist doch nicht so schlimm!“ konnte es auch bedeuten. Israel ist nicht die Welt! Wahrlich nicht. Und das mag zweierlei bedeuten. Selbst biblisch ist es „das kleinste der Völker“ (vgl 5. Mose 7, 7-9). Wer von Israel spricht, könnte analog in unseren Breitengraden sagen: „Ganz Speicher wird gerettet!“ Klar, das wäre s auch schon schön!  😉  Und doch „nicht gerade die Welt“! Oder „Ganz Bielefeld…“ Gibt es das überhaupt? … Weil aber nach biblischem Verständnis etwas Kleines für die Allgemeinheit stehen kann, ist eben dieser „Augapfel“, den sich Gott erwählt hat, durchaus von weltumspannender Bedeutung!

 

In diesem Sinne ist Israel doch „die Welt“! Und nur nebenbei – nach jüdischem Verständnis rettet einer, der einen Menschen rettet, die ganze Welt. Das spielte auch in den Danksagungen Israels nach dem Holocaust an diejenigen eine Rolle, die einen oder zwei Juden vor den Nazischergen versteckt hatten! – Ja, wenn Du auch nur einen Menschen rettest, dann rettest Du die ganze Welt!!!

 

  • Die entscheidenden Dinge im Leben kann man eben NICHT an sich selbst vollziehen

 

Wir können uns nicht selber zur Welt bringen und auch nicht zu Grabe tragen. Taufen kann man sich nicht selber. Heiraten übri-gens auch nicht – obwohl es in den NDL ein paar Vorstöße in diese Richtung gab. Und wir erleben durch Corona, Ukraine-krieg, Schöpfungsfragen und manches mehr, dass wir diese Welt beileibe nicht in der Hand haben. In den 1980er Jahren gab es schon einmal eine solche Zeit. Jetzt, 40 Jahre später, scheint manches wiederzukehren – auch manche Angst, auch manche Frage oder manche Erkenntnis, dass uns die Verfügungsmacht über die entscheidenden Dinge entzogen ist.

 

EIN ZUSATZ:

 

Paulus ist übrigens nicht der Überzeugung, Israel sei einfach durch die Christenheit ersetzt worden. Diese christlich-arrogante Vorstellung geistert schon seit Jahrhunderten durch Predigten und Lehrbücher. Wo man das hernimmt, kann ich wirklich nicht sagen! Paulus ist der Überzeugung, dass alle, die sich zu Jesus hinwenden (und nicht aus den Juden kommen), eingepfropft werden in die Hoffnung Israels, die in Jesu Kommen, Kreuz und Auferweckung ihr Ziel gefunden hat. Und auch für Juden geht der Weg – wie bei Nikodemus (Joh 3) - nur über Jesus. Ob das bei dem Volk Gottes mit einem allgemeinen „Schlag der Erkenntnis“ passiert – das sei doch Gott vorbehalten, der dieses Volk nun einmal nach christlich-jüdischer Überlieferung ganz besonders liebhat! Judenchristliche („messianische“) Gemeinden in aller Welt – und auch in unserem Land – sind wie ein Vorabfunken der Hoffnung auf diese Verheißungserfüllung.

 

So! Und dann sagt Paulus (sinngemäß) diesen heißen Satz: „Wenn schon ganz Israel gerettet wird, wieviel mehr…“ Und hier kommen diese wunderbaren, unaussprechlichen drei Pünktchen des Paulus zum Tragen. Paulus schreibt viel, redet gerne und lehrt noch lieber. Und manchmal wird er dabei total nüchtern, manchmal wird er überschwänglich. Hier aber fehlen ihm die Worte. Nicht weil er solch ein wortkarger Mensch wäre oder er so ungelehrt wäre… Nein. Es gibt hier keine Worte. Ja, manchmal gibt es eben keine Worte. Manchmal kann man nur sagen: Pünktchen. Pünktchen. Pünktchen!“ …

 

Beispiele gefälligst? - - - Sagen Sie mal in drei Sätzen, was Liebe bedeutet, so dass Ihnen jede/r zustimmt! Erklären Sie in wenigen Worten, warum – nicht rein technisch – ein Auto nahe dem Berliner Breitscheidplatz in eine auswärtige Schülergruppe fährt! ... Und gewiss haben Sie auch eigene Beispiele!?

 

So findet in diesen drei Pünktchen die geballte Rettungshoffnung des Paulus ihren Platz. Und die hat – das ist tatsächlich so – nicht allzuviel Raum für menschliche Alleingänge und Rettungsversuche!!!

 

Das ist wie bei der kleinen Seenotrettungsstation. Sie war entstanden, als einer sich wagemutig an dieser wunderschönen Küste ins Wasser gestürzt hatte und von ein paar Jugendlichen in letzter Sekunde gerettet worden war. Sie bauten sich eine Hütte. Einer schenkte ihnen ein kleines Motorboot. Manche spendeten Neopremanzüge und warme Decken. Und mehr und mehr Hilfsbereite kamen hinzu. Sie gründeten einen Verein, den Verein für Seenotrettung e. V. Viele Menschen wurden an dieser Küste durch die Tätigkeit dieses Vereins gerettet, die sonst ihr Leben verloren hätten. Und sie feierten auch immer wieder wunderschöne Feste miteinander. Sie hatten ja alle dasselbe Ziel: Menschen retten! Mehr und mehr wurde dann die Hauptsache zur Nebensache. Die Nebensachen wurden so zeitaufwendig und raumgreifend, dass kaum noch mal einer auf dem hohen Aussichtsturm mit seinem Fernglas saß. Immer selten fuhren sie mit ihrem in die Jahre gekommenen Motorboot raus. Und, man muss es so klar sagen, Menschen verloren ihr Leben, die man – vielleicht – hätte retten können. Die meisten Mitglieder bezeichnen sich mittlerweile als „passiv“ und sind stolz darauf. Und …

 

… ob diese Geschichte wirklich so passiert ist im wortwörtlichen Sinne – das weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht mehr, wo ich sie gehört oder wann ich sie gelesen habe. Im übertragenen Sinne ereignet sie sich in fast jeder christlichen Gemeinschaft und Kirche seit gut 2000 Jahren.

 

Wie gut, dass GOTT Menschen rettet. Und bei Israel fängt er damit an. Das schrieb schon Paulus vor rund 2000 Jahren. Und manchmal macht er das durch uns! Weil Gott rettend handelt, feiern wir Gottesdienste. Weil Gott rettend handelt, taufen, trauen, konfirmieren und beerdigen wir Menschen im Namen Jesu. Weil Gott rettend handelt, sprechen wir mit Menschen über Gott, den Schöpfer, über Jesus und über ihren Heiligen Geist. Deshalb beten, singen, lesen wir.

Amen.

UND DER FRIEDE GOTTES, DER HÖHER IST ALS ALLE UNSERE VERNUNFT, DER BEWAHRE UNSERE HERZEN UND SINNE IN CHRISTUS JESUS, DEM GEKREUZIGTEN UND AUFERWECKTEN UND GEGENWÄRTIGEN!

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