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von Pfrarrerin Sonja Mitze

Predigttext: 2. Kor 1, 3-7

3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus! Er ist der Vater, der uns Barmherzigkeit schenkt, und der Gott, bei dem wir Ermutigung finden. 4 Er ermutigt uns in all unserer Not. Und so können auch wir anderen Menschen in ihrer Not Mut machen. Wir selbst haben ja ebenso durch Gott Ermutigung erfahren. 5 Allerdings wird auch uns in reichem Maß das Leid zuteil, das Christus erlebt hat. Aber genauso erfahren wir in reichem Maß auch die Ermutigung, die er schenkt.

6 Wenn wir in Not geraten, sollt ihr dadurch ermutigt und gerettet werdet. Wenn wir ermutigt werden, sollt ihr dadurch neuen Mut schöpfen. So könnt ihr geduldig dieselben Leiden ertragen, die auch wir ertragen müssen. 7 Wenn wir an euch denken, sind wir sehr zuversichtlich. Denn wir wissen, dass ihr ebenso wie an dem Leiden auch an der Ermutigung Anteil habt. (Basisbibel)

Gott schenke uns ein offenes Wort für unser Herz und ein offenes Herz für sein Wort. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder!

Lätare! Freut euch! Dazu werden wir an diesem Sonntag aufgefordert. Aber meine Freude hält sich ein wenig in Grenzen. Dürfen wir uns im Moment überhaupt freuen? Unser Leben genießen und Spaß haben angesichts dessen, was gerade so los ist in der Welt?

Jeden Abend, wenn ich Nachrichten schaue, sehe ich die sinnlose Zerstörung, die der Krieg in der Ukraine anrichtet. Ich sehe das Leid der Menschen, die auf der Flucht sind und alles zurücklassen mussten, zuletzt an der Grenze die Männer der Familien. Ich sehe das Leid der Menschen, die geblieben sind und ohne Wasser, Nahrung und Strom in Kellern und Luftschutzbunkern ausharren ohne zu wissen, wie ihre Stadt, ihr Haus aussehen wird, wenn sie sich das nächste Mal heraustrauen. Und ich weiß um das Leid, das vom Krieg aus unseren Nachrichten verdrängt wurde: die Lage der Menschen, besonders der Frauen und Mädchen in Afghanistan; die Lage in den Lagern derer, die vor dem syrischen Bürgerkrieg geflüchtet sind; die Hungersnot im Jemen und so viel anderes Leid, das sich durch den Krieg wohl noch verschärfen wird.

Doch ich muss nicht den Fernseher einschalten, um Leid zu sehen. Es begegnet mir in der Mutter, die schwer an Krebs erkrankt ist und nun organisieren muss, wer sich um ihre Kinder kümmert, während sie versucht, die Chemos zu überstehen, die auf sie warten.

Es begegnet mir in der Familie, deren Haus im letzten Sommer in der Flut zerstört wurde, nur wenige Monate nachdem es fertig geworden war. Aber die versprochenen Entschädigungen lassen auf sich warten und es zeichnet sich immer deutlicher ab: Das Geld wird nicht reichen, um das Haus wieder aufzubauen.

Wieso tut Gott mir das an? Wieso lässt er mich so leiden? Was habe ich ihm getan, dass es mir so schlecht geht? Das sind die Fragen, die Menschen in der Not beschäftigen. Und vielleicht haben Sie sich diese Fragen ja selbst schon einmal gestellt.

Auch der Apostel Paulus hat viel Leid erfahren in seinem Leben. Manches davon ist ihm sogar deshalb zugestoßen, weil er Christ war: Er wurde gefangen genommen, gefoltert, musste sich gegen üble Nachrede zur Wehr setzten und fühlte sich bisweilen völlig ausgelaugt und erschöpft, was sicherlich einem hohen Arbeitspensum sowie Schlaf- und Nahrungsmangel geschuldet war. Außerdem hatte er auch körperliche Beschwerden und die Reisen, die er im Auftrag des Herrn unternahm, waren auch nicht gerade ungefährlich. So schreibt er den Korinthern, dass er sogar dreimal schiffbrüchig war. Uns wird in reichem Maß das Leid zuteil, das Christus erlebt hat, schreibt Paulus in unserem Predigttext an die Gemeinde in Korinth. Aber seltsamerweise fragt er nicht, warum das so ist oder warum Gott ihn leiden lässt, wo er doch sein Diener ist. Stattdessen schreibt er: (2. Kor 1, 3-7)  (siehe oben)

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus! Er ist der Vater, der uns Barmherzigkeit schenkt.
Mitten im Leid von Gottes Barmherzigkeit reden? Ist das nicht ein bisschen zynisch? Ich gebe zu: auf den ersten Blick wirkt das so, wenn da nicht noch dieser Nachsatz wäre:
und der Gott, bei dem wir Ermutigung finden.

Paulus eröffnet mir hier eine ganz andere Sichtweise auf das Leid und die Not, die uns begegnen. Nicht das Leid ist es, was Gott uns schickt! Was Gott uns schickt ist die Ermutigung, den Trost, die Kraft, die wir brauchen, um das Leid zu überwinden. Paulus ist sich da ziemlich sicher: Das Maß an Leid, das wir erfahren steht in direktem Verhältnis zum Maß der Ermutigung, die wir geschenkt bekommen. Paulus macht keinen Hehl daraus, woher er diese Ermutigung, diese Zuversicht nimmt: Er erkennt sein Leid im Leiden Christi und genau deshalb fühlt er sich auch durch Christus ermutigt. Denn er weiß: Christi Leid währte nicht ewig. Es hat seine Grenze in Gottes Barmherzigkeit, in Gottes grenzenlosem Lebenswillen, als er Jesus von den Toten auferweckt hat. Und so wie wir Anteil am Leiden Christi haben, da ist sich Paulus sicher, so haben wir auch Anteil an Gottes rettendem Handeln.

Allerdings – nur um Missverständnissen vorzubeugen – hier eine kleine Randnotiz: Das bedeutet nicht, dass wir auf jeden Fall leiden müssen, um das Heil zu erlangen, so als wären Not und Leid eine Art Einlassbedingung zu Gottes Reich. Ich hoffe, dass wir das Zeitalter der Selbstgeißelungen ein für allemal hinter uns gelassen haben. Stattdessen geht es vielmehr um die Frage: wie gehen wir damit um, dass es Menschen gibt, die schlimme Erfahrungen machen, ohne an Gott zu zweifeln, ohne zu verzweifeln?

Paulus wie gesagt, sieht sich durch Kreuz und Auferstehung Jesu ermutigt. Der Blick auf Christus gibt ihm Trost und Kraft, sein eigenes Leid zu tragen, denn die Hoffnung, dass Not und Leid nicht das letzte Wort haben werden, kann auch unseren Blick verändern. Da wo sonst nur noch Platz für Verzweiflung und Resignation wäre, da kann plötzlich Hoffnung und Zuversicht aufkeimen.

Das mag sich banal anhören. So als würde es keinen großen Unterschied machen. Das Leid, das ich gerade erfahre, ganz gleich, was es auch sein mag, wird dadurch ja nicht kleiner, dass ich die Hoffnung habe, dass es irgendwann mal aufhört. Es mag auf den ersten Blick vielleicht so scheinen. Aber glauben Sie mir: es ist ein ganz gewaltiger Unterschied, ob ich die Hoffnung habe, dass es mir eines Tages wieder besser gehen wird, oder nicht. Denn unsere Überzeugungen, was wir glauben und hoffen, bestimmen unsere Gedanken und unsere Gedanken bestimmen unser Tun und Lassen. Ich habe sogar mal den Satz gehört: Unsere Gedanken von heute sind unser Leben von morgen. Klingt vielleicht ein bisschen weit hergeholt, wenn man es das erste Mal hört, aber genauso funktionieren Placebos. Wir bekommen eine Medizin, von der wir überzeugt sind, dass sie ein wirksames Heilmittel enthält. In Wirklichkeit ist es nichts weiter als Traubenzucker. Dennoch tritt der Heilungseffekt ein. Der Körper ist in der Lage, sich selbst zu heilen, weil wir der Überzeugung sind, dass wir heilen können. Also tun wir es einfach.

Es ist also ganz und gar nicht egal, was wir glauben und denken und ob wir Hoffnung haben. Hoffnung zu haben bedeutet, dass ich der Überzeugung bin, dass sich an der jetzigen Situation etwas ändern lässt. Und das ist oft der erste Schritt aus dem Leid heraus. Und so kann Ermutigung und Hoffnung zur Rettung aus dem Leid werden. Und ich glaube, genau das ist es, wie Gott uns hilft. Er schafft nicht die Not und das Leid für uns aus dem Weg, sondern er sagt: Das könnt ihr selbst! Er ermutigt uns, spornt uns an, schenkt uns Vertrauen und Hoffnung. Er hilft uns, es selbst zu tun, damit wir an unseren Herausforderungen wachsen können.

Paulus geht sogar noch weiter: 6 Wenn wir in Not geraten, sollt ihr dadurch ermutigt und gerettet werdet. Wenn wir ermutigt werden, sollt ihr dadurch neuen Mut schöpfen.

Die Ermutigung, die ich im Leid erfahre, kann anderen, die ähnliches durchmachen, ihrerseits Mut machen und ihnen vielleicht sogar helfen, besser und schneller durch ihren Leidensweg zu kommen. Und das ist tatsächlich etwas, was ich immer wieder feststelle, wenn ich Menschen treffe, die anderen in ihrer Not beistehen, sie begleiten und ihnen helfen: Oft sind das nämlich Menschen, die ihrerseits schon so einiges durchgemacht haben und wissen, wie es sich anfühlt, verzweifelt zu sein und nicht mehr zu wissen, wie es weitergehen soll. Und gerade das, dieses Wissen darum, wie es sich anfühlt und gleichzeitig das Wissen darum: es gibt einen Ausweg, es gibt ein Leben nach dieser Not, es gibt Hoffnung, gerade dieses Wissen macht solche Menschen zu guten Krisenbegleitern, Tröstern, Rettern in der Not. Es tut gut zu wissen, dass da jemand ist, dem es ähnlich ging wie mir und der mir mit seinem Leben vor Augen führt: es ist möglich, diese Krise zu überwinden.

Paulus schreibt weiter: So könnt ihr geduldig dieselben Leiden ertragen, die auch wir ertragen müssen. Denn wir wissen, dass ihr ebenso wie an dem Leiden auch an der Ermutigung Anteil habt.

Ich bleibe an der Geduld hängen. Leiden in Geduld ertragen. Das klingt ein bisschen nach Aufgeben, Resignation. Das geschieht, wenn ich nicht nur Anteil am Leiden haben, sondern zu meinem Leiden werde. Mich so mit meiner Krankheit identifiziere, dass ich zu meiner Krankheit werde. Mich so mit meiner Trauer identifiziere, dass ich nur noch Trauer bin. Mich so sehr mit meiner Opferrolle identifiziere, dass ich immer wieder zum Opfer werde. Aber irgendwie passt das so gar nicht zur Ermutigung, von der Paulus in diesem Abschnitt so viel schreibt. Und so denke ich, dass Geduld hier anders gefüllt werden muss. Ich glaube, es geht hier nicht um Hinnehmen des Leids im Sinne von Resignation, sondern eher um ein bewusstes Annehmen dessen, was ist. Das ist nicht einfach, denn wir haben die Tendenz, gegen das anzukämpfen, was uns Leiden verursacht. Diese Ablehnung hat allerdings zur Folge, dass wir sehr viel Energie in das stecken, was wir eigentlich loswerden wollen.

Leiden in Geduld ertragen könnte stattdessen heißen zu fragen: Was will diese Situation mir sagen? Was soll ich hier lernen? Warum bin ich hier rein geraten? Vielleicht auch: warum gerate ich immer wieder in solche Situationen? Und vor allem: was kann ich tun, um diese Situation zu verändern? Es bedeutet, die Herausforderung anzunehmen, die in dem steckt, was mir widerfährt. Und ja, um sich solchen Fragen zu stellen braucht es Geduld und Ermutigung. Und am besten auch jemanden, der einen dabei begleitet, der einem hilft, den Blick vom Leid auf die Rettung zu richten, weg von unseren Defiziten hin zu den Möglichkeiten, die wir haben, weg von der Verzweiflung hin zur Hoffnung.

Wenn uns das gelingt, dann sind das wahrlich Momente der Freude, mitten im Leid. Dann dürfen wir uns darüber freuen, dass es mal keine Diskussionen darüber gibt, ob wir Geflüchtete aufnehmen. Dann dürfen wir uns über die Hilfsbereitschaft freuen, die gerade entsteht und über die große Einigkeit, dass wir in Frieden und Freiheit und gegenseitigem Respekt miteinander leben wollen. Also ja, freut euch! Trotz allem!

DENN DER FRIEDE GOTTES, DER HÖHER IST ALS ALLE VERNUNFT, WIRD UNSERE HERZEN UND SINNE IN CHRISTUS JESUS BEWAHREN Amen

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Pfarrerin
Sonja Mitze

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Open Doors unterstützt verfolgte Christen mit Selbsthilfe-Projekten, Literatur, Schulung von Leitern, hilft Gefangenen und den Familien ermordeter Christen. 

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