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von Pfrarrerin Sonja Mitze

Predigttext: Hiob 2, 1-13

1 Es begab sich aber eines Tages, da die Gottessöhne kamen und vor den HERRN traten, dass auch der Satan mit ihnen kam und vor den HERRN trat.
2 Da sprach der HERR zu dem Satan: Wo kommst du her? Der Satan antwortete dem HERRN und sprach: Ich habe die Erde hin und her durchzogen.
3 Der HERR sprach zu dem Satan: Hast du acht auf meinen Knecht Hiob gehabt? Denn es ist seinesgleichen auf Erden nicht, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das Böse und hält noch fest an seiner Frömmigkeit; du aber hast mich bewogen, ihn ohne Grund zu verderben.
4 Der Satan antwortete dem HERRN und sprach: Haut für Haut! Und alles, was ein Mann hat, lässt er für sein Leben.
5 Aber strecke deine Hand aus und taste sein Gebein und Fleisch an: Was gilt’s, er wird dir ins Angesicht fluchen!
6 Der HERR sprach zu dem Satan: Siehe da, er sei in deiner Hand, doch schone sein Leben!
7 Da ging der Satan hinaus vom Angesicht des HERRN und schlug Hiob mit bösen Geschwüren von der Fußsohle an bis auf seinen Scheitel.
8 Und er nahm eine Scherbe und schabte sich und saß in der Asche.
9 Und seine Frau sprach zu ihm: Hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit? Fluche Gott und stirb!
10 Er aber sprach zu ihr: Du redest, wie die törichten Frauen reden. Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen? In diesem allen versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen.

Hiob wird von drei Freunden besucht
11 Als aber die drei Freunde Hiobs all das Unglück hörten, das über ihn gekommen war, kamen sie, ein jeder aus seinem Ort: Elifas von Teman, Bildad von Schuach und Zofar von Naama. Denn sie wurden eins, dass sie kämen, ihn zu beklagen und zu trösten.
12 Und als sie ihre Augen aufhoben von ferne, erkannten sie ihn nicht und erhoben ihre Stimme und weinten, und ein jeder zerriss sein Kleid, und sie warfen Staub gen Himmel auf ihr Haupt
13 und saßen mit ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte und redeten nichts mit ihm; denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war.

Gott schenke uns ein offenes Wort für unser Herz und ein offenes Herz für sein Wort. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder!

„Warum?“ Die Frau sieht mich nicht an, sondern blickt auf das zerknüllte Papiertaschentuch, das sie in ihrer Hand zerpflückt. „Warum musste meine Tochter sterben? Sie hat doch niemandem etwas getan!“ 40 Jahre alt ist ihre Tochter geworden und eben ist sie an Krebs gestorben.
Immer wieder, wenn wir mit Not und Leid konfrontiert werden, steht diese Frage im Raum: Warum? Warum musste das geschehen? Wahlweise auch: Womit habe ich das verdient? Die meisten schauen mich dabei nicht an, wenn sie diese Frage stellen. Ich könnte ihnen ohnehin keine Antwort darauf geben. Im Grunde ist diese Frage an jemand ganz anderen gerichtet. Auch wenn sein Name nicht genannt wird, so hängt er doch immer irgendwie mit in der Luft. Und manchmal wird er (und als seine Dienerin dann auch ich) doch direkt angesprochen: Wie kann Gott das nur zulassen?
Woher kommt das Leid auf der Welt und wie gehen wir damit um?
Immer wieder haben sich Menschen mit dieser Frage beschäftigt.
Vor etwa 2500 Jahren wuchs in mehreren Schichten ein in weiten Teilen poetischer Text heran, der versucht, Antworten auf die Frage zu finden, wie es sein kann, dass guten und gerechten Menschen schlimme Dinge zustoßen. Diese Komposition ist uns als das biblische Buch Hiob überliefert.
Hiob, so wird erzählt, war ein rechtschaffener, frommer Mann. Er war unglaublich reich, hatte eine tolle Familie, aber er bildete sich nichts darauf ein, weil er wusste: das alles hat Gott mir geschenkt. Eines Tages hält Gott Hofstaat, Teammeeting sozusagen.
Auch Satan ist mit von der Partie. Offenbar ist er so eine Art Staatsanwalt. Denn als Gott ihn voller Stolz auf seinen Knecht Hiob hinweist, der vorbildlich in seiner Treue zu Gott und untadelig in seiner Lebensführung ist, fungiert Satan als Anwalt der Anklage: Hiob sei doch nur deshalb so toll, weil er eben alles hat, was man sich nur wünschen kann. Wenn er alles verlieren würde, würde er mit Gott sicher nichts mehr zu tun haben wollen. Satan schlägt Gott deshalb eine Wette vor: Gott möge ihm erlauben, Hiob alles zu nehmen, dann würde man schon sehen. Die Wette gilt. Und im Handumdrehen erreicht den frommen Mann eine Hiobsbotschaft nach der anderen. Am Ende hat er nicht nur sein ganzes Hab und Gut verloren, auch seine Kinder sind allesamt umgekommen. Hiob aber bleibt Gott treu: „Der Herr hat‘s gegeben, der Herr hat‘s genommen, gelobt sei der Name des Herrn“, sagt er.
Gott hat die Wette gewonnen. Aber damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende:
Lesung: Hiob 2,1-13
1 Es begab sich aber eines Tages, da die Gottessöhne kamen und vor den HERRN traten, dass auch der Satan mit ihnen kam und vor den HERRN trat.
2 Da sprach der HERR zu dem Satan: Wo kommst du her? Der Satan antwortete dem HERRN und sprach: Ich habe die Erde hin und her durchzogen.
3 Der HERR sprach zu dem Satan: Hast du acht auf meinen Knecht Hiob gehabt? Denn es ist seinesgleichen auf Erden nicht, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das Böse und hält noch fest an seiner Frömmigkeit; du aber hast mich bewogen, ihn ohne Grund zu verderben.
4 Der Satan antwortete dem HERRN und sprach: Haut für Haut! Und alles, was ein Mann hat, lässt er für sein Leben.
5 Aber strecke deine Hand aus und taste sein Gebein und Fleisch an: Was gilt’s, er wird dir ins Angesicht fluchen!
6 Der HERR sprach zu dem Satan: Siehe da, er sei in deiner Hand, doch schone sein Leben!
7 Da ging der Satan hinaus vom Angesicht des HERRN und schlug Hiob mit bösen Geschwüren von der Fußsohle an bis auf seinen Scheitel.
8 Und er nahm eine Scherbe und schabte sich und saß in der Asche.
9 Und seine Frau sprach zu ihm: Hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit? Fluche Gott und stirb!
10 Er aber sprach zu ihr: Du redest, wie die törichten Frauen reden. Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen? In diesem allen versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Das Bild, das hier von Gott gezeichnet wird, ist mir persönlich mehr als fragwürdig. Ein Gott, der unschuldige Menschen tötet und seinen treusten Diener ohne mit der Wimper zu zucken in die Abgründe menschlichen Daseins stürzt, nur um eine Wette zu gewinnen? Ich merke, dass ich da in der Geschichte von Jesu Versuchung viel weniger Probleme habe, weil der Satan hier auf eigene Faust handelt und nicht mit dem Segen Gottes daherkommt. Aber vielleicht habe ich da auch einfach eine dualistische Brille auf, die die Welt in Gut und Böse einteilt und alles Böse von Gott fernhalten will?
Das Leiden wird uns hier jedenfalls vorgestellt als eine Art Prüfung, in der der Gerechte sich bewähren muss.
Doch vielschichtig wie das Hiobbuch ist, ist dies nicht die einzige Antwort, die es uns anbietet. Hiobs Freunde z.B. bestehen darauf, dass Leiden eine Strafe Gottes ist. Ihr Argument: Gott ist gerecht, er belohnt Gutes mit Gutem und Böses mit Bösem. Und ich habe das Gefühl: das ist das Konzept, was auch heute noch am weitesten verbreitet ist, in diversen Schattierungen. Die Frage: „Womit habe ich das verdient?“ gehört definitiv in diese Kategorie. Die Freunde jedenfalls sind der festen Überzeugung: Hiob muss – wenn nicht bewusst, dann zumindest unbewusst – irgendetwas angestellt haben, was Gott erzürnt hat. Die Schuld wird kurzerhand den Opfern in die Schuhe geschoben, damit man an Gottes Güte festhalten kann. An der Stelle wird unser Predigttext mir dann doch wieder etwas sympathisch, der uns mit dem Einblick in Gottes Teamsitzung versichert: Krankheit und Unglück sind keine Frage der Schuld. (Das gleiche wird übrigens Jesus später sagen, als er einen Blindgeborenen heilt und die Leute fragen, wer nun gesündigt habe: er oder seine Eltern. Und Jesus stellt klar: Keiner von ihnen! – Joh 9, 1-3)
Wie können wir trotz des Leids auf der Welt an Gottes Güte festhalten?
Der jüdische Theologe Harold Kushner geht in seinem Buch „Wenn guten Menschen Böses widerfährt“ noch einen anderen Weg: Er schlägt vor, dass wir weder den leidenden Menschen noch Gott die Schuld für das Böse, das in der Welt geschieht, in die Schuhe schieben. Gott hat das Böse nicht geschaffen, im Gegenteil: Bevor Gott sein Schöpfungswerk auf der Erde begann, war die Erde wüst und leer heißt es. Im Hebräischen steht da ein Wort, dass die meisten von Ihnen verstehen werden: Tohuwabohu. Das reine Chaos also. Gott greift schöpferisch ordnend in dieses Chaos ein.
Doch dieses Chaos bricht immer wieder hervor. In Erdbeben, Vulkanausbrüchen und anderen Naturgewalten, die Tod und Vernichtung bringen, in Kriegen und Gewaltausbrüchen, in Krankheit und Unglücken. Gott hat sehr wohl eine Welt im Sinn, in der es weder Leid noch Schmerz noch den Tod geben wird. (Off 21, 4) Doch diese Welt ist noch im Werden, in der Entwicklung. Und Entwicklung braucht Zeit.
Mir ist klar, dass dies keine befriedigende Antwort ist. Aber ich frage mich, ob es überhaupt jemals eine befriedigende Antwort auf die Frage geben wird, warum es Leid in der Welt gibt. Diese Frage ist im Grunde – wie auch das Leid an sich – sinnlos. Harold Kushner schlägt stattdessen vor, sich eine andere Frage zu stellen: „Was kann ich, da mir solches widerfahren ist, jetzt tun?“
Und da sind wir wieder beim Predigttext. Er bietet uns zwei Möglichkeiten an: Hiobs Frau ist der Meinung, einem Gott, der einen so behandelt, sollte man den Rücken zukehren. „Fluche Gott und stirb!“, rät sie ihrem Mann ziemlich drastisch.
Hiob wählt eine andere Möglichkeit: Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen? Annehmen, was ist. Das Böse, die Krankheit, das Leid nicht wegschieben, nicht bekämpfen, sondern es annehmen? Zugegeben, das klingt erst mal ziemlich schräg. Ist aber bei näherem Hinsehen gar nicht mal so dumm, wie es scheint. Denn das, was wir mit aller Macht bekämpfen, dem geben wir unsere Kraft, unsere Energie. Und so schwächt es uns noch mehr. Es erst einmal anzunehmen könnte heißen, in Dialog zu gehen: Was willst du mir sagen? Was brauchst du, um in Frieden zu gehen? Oder: Was kann ich tun, damit du dich in etwas Gutes verwandeln kannst?
Zur Veranschaulichung vielleicht ein Beispiel: Ein Geschäftsmann mittleren Alters wird von einem Herzinfarkt niedergestreckt. Er entschließt sich daraufhin, sein Leben zu ändern, weniger Zeit mit seinen Geschäften und mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen, und auch mehr auf seinen Körper zu achten.
Und welche Rolle spielt Gott bei der ganzen Sache? – Hiob bleibt im Gespräch mit Gott. Statt ihn zu verfluchen, wie seine Frau es ihm geraten hat, wird er ihm sein Leid klagen und mit ihm um Gerechtigkeit ringen.
Für mich als Christin spielt Gott noch eine andere Rolle. In Jesus Christus hat Gott selbst Leid auf sich genommen, Böses ertragen, ist am Kreuz gestorben. Für mich bedeutet das: Gott lässt uns in unserem Leid nicht allein. Er hat es selbst erlebt, er weiß, wie es sich anfühlt. Und ich glaube fest daran: Gerade dann, wenn wir leiden, ist er an unserer Seite. Nicht so, dass er das Leid von uns fernhält, aber vielleicht so, dass er uns Kraft und Ausdauer gibt, es anzunehmen und hindurchzugehen. Vielleicht so, dass er uns hilft, bei der Frage, wo das Leid hinführen soll. Vielleicht so, dass er Menschen ruft, die anderen in ihrer Not beistehen.
So wie Hiobs Freunde es getan haben. Sie sind gekommen, sie waren einfach da, haben um ihn geweint und haben mit ihm in der Tiefe seines Leids gesessen. Sie haben seinen Schmerz mit ihm ausgehalten. Und sie haben es ausgehalten, nichts zu sagen, sondern gemeinsam zu schweigen. 7 Tage und Nächte lang. Vielleicht hätten sie besser weiter geschwiegen, statt Hiob vorzuhalten, dass es irgendetwas geben müsse, womit er Gottes Zorn auf sich herabbeschworen habe.
Mein Fazit: Im Grunde gibt es keine allgemein gültige Lösung der Frage nach dem Leid. Wenn überhaupt, steht es nur den Betroffenen selbst zu, ihrem Leiden einen Sinn abzugewinnen. Für mich selbst kann ich das durchaus so sagen: Die Zeiten, die am schwersten waren in meinem Leben, die möchte ich nicht missen, weil ich im Nachhinein gemerkt habe: in diesen tiefsten Tiefen steckten die größten Geschenke für mich. Doch auch wenn es uns nicht gelingt, unserem Leid einen Sinn abzuringen, möchte das Hiobbuch uns Mut machen, trotz allem an Gott festzuhalten. Die Geschichte Jesu Christi lässt uns überdies hoffen, dass Gott uns in schweren Zeiten nicht allein lässt, und dass Tod und Leid nicht das letzte Wort haben werden. Darauf dürfen wir vertrauen. Amen.
 
DENN DER FRIEDE GOTTES, DER HÖHER IST ALS ALLE VERNUNFT, WIRD UNSERE HERZEN UND SINNE IN CHRISTUS JESUS BEWAHREN Amen

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Pfarrerin
Sonja Mitze

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