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von Pfarrer GUIDO KOHLENBERG (Evangelische Kirchengemeinde Bitburg)

Predigttext Mk 2, 1-12

1 Und nach etlichen Tagen ging er (Jesus) wieder nach Kapernaum; und es wurde bekannt, dass er im Hause war. 2 Und es versammelten sich viele, sodass sie nicht Raum hatten, auch nicht draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort. 3 Und es kamen einige, die brachten zu ihm einen Gelähmten, von vieren getragen. 4 Und da sie ihn nicht zu ihm bringen konnten wegen der Menge, deckten sie das Dach auf, wo er war, gruben es auf und ließen das Bett herunter, auf dem der Gelähmte lag.


5 Da nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben. 6 Es saßen da aber einige Schriftgelehrte und dachten in ihren Herzen: 7 Wie redet der so? Er lästert Gott! Wer kann Sünden vergeben als Gott allein?


8 Und Jesus erkannte alsbald in seinem Geist, dass sie so bei sich selbst dachten, und sprach zu ihnen: Was denkt ihr solches in euren Herzen? 9 Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin?


10 Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben auf Erden – sprach er zu dem Gelähmten: 11 Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh heim! 12 Und er stand auf und nahm sogleich sein Bett und ging hinaus vor aller Augen, sodass sie sich alle entsetzten und Gott priesen und sprachen: Wir haben solches noch nie gesehen.

 

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommen wird
 
Predig

Ich schaue durch das Schaufenster beim Friseur. Da sitzt ein üppig bärtiger Mensch, schaut angestrengt in den Spiegel und stutzt sich seinen Bart. Und ich überlege so, als ich da schaue: Vielleicht ist das ja günstiger.

Da geht man in den Friseursalon, wäscht sich die Haare, schneidet sich die Haare, stutzt sich den Bart, legt 10 Euro auf den Tresen und geht wieder nach Hause – frei nach dem Motto „Hilf dir selbst, dann hilft dir … der Friseursalon!“ Es gibt aber Situationen, da geht dass einfach nicht mehr mit dem HILF DIR SELBST. Da braucht man einen oder zwei oder drei oder vier…, die helfen.

Und da ist das vielleicht auch wichtiger als eine Bartrasur. - Von solch einem Menschen erzählt die ziemlich bekannte Bibelgeschichte, die heute mal wieder der vorgeschlagene Bibeltext ist.

 

Liebe Geschwister, ich lese den Predigttext, den wir bereits als Evangelium gehört haben:  Mk 2, 1-12: (siehe oben)

„Wir haben solches noch nie gesehen.“ Ich beginne mit dem letzten Satz aus diesem (den meisten wohl gutbekannten) Bibelabschnitt, weil ich mich gefragt habe: Wann habe ich das schon einmal gesagt – und nicht vor fernen Zeiten als kleines Kind: SO ETWAS HABE ICH WIRKLICH NOCH NIE GESEHEN!“ (…………………………………………………………………..)

Alle sagen das hier. Und auch wenn das „alle“ im NT manchmal eher so etwas wie „viele“ meint, möchte ich das mal ganz wörtlich nehmen. Das sind dann die Jüngerinnen und Jünger Jesu. Das sind die Schriftge-lehrten, die eben noch lamentiert haben. Die Freunde des Ex-Gelähmten sind es und all die, die sonst noch in und vor dem Haus herumstanden. „ALLE“ eben!

Und „ALLE“ verbindet dreierlei: Neben der Aussage „SOWASHABENWIRJANOCHNIEGESEHEN!“ das Entsetzen und der Lobpreis! - Das ist jetzt nicht unbedingt „neuzeittypisch“, oder? (……………………)

Schauen wir holzschnittartig zurück: Jesus war lange weg. Jetzt ist er wieder einmal ZUHAUSE! Die Leute drängeln sich. Er redet. Er redet. Und redet… Mitten-rein in seine Rede bringen einige (mehr als vier übrigens!) diesen Gelähmten. Sie decken das Flachdach auf. Jesus sieht IHREN Glauben und vergibt IHM seine Sünden! Die Schriftgelehrten stört das. Und Jesus stellt sie auf die Probe.

Erst jetzt folgt der Satz, der dem Kranken zu gesunden Füßen verhilft und ALLEN anderen zum Entsetzen, zum Lobpreis und zu der Aussage verleitet:

 „SOWASHABENWIRJANOCHNIEGESEHEN!“

Als Werbeunterbrechungen noch nicht normal waren, als noch nicht die Werbung ab und zu mal durch ein Stück Film unterbrochen wurde, da ärgerte man sich noch über Filmunterbrechungen. Denn dann lag zum Beispiel eine – ACHTUNG URALTES WORT – dann klag manchmal eine - - - „Bildstörung“ vor!

Die Unterbrechung hier in dieser Geschichte in Kapharnaum ist gleich eine doppelte! Die Bildstörung, die damit verbunden ist… auch!

Man muss sich vorstellen: Alle sind gerade ungeheuer vertieft in die Wahnsinnsworte Jesu – vielleicht erzählt er gerade wieder vom Himmelreich – da bröselt es von oben. Einer nach dem anderen … schaut hoch zum Dach. Das schöne Bild, die wunderbaren Bilder von Gottes Herrschaft – gestört. Durch diese unverschäm-te Unterbrechung. Alle treten - sofern dies in der Enge geht – ein Stück vom Gebrösel zurück. Ob Jesu auch aufschaut? Steht da nicht. Ob er schmunzelt? Mag sein! Ob er seine Rede nicht schon längst unterbro-chen hat? Ist dem Schreiber wohl nicht so wichtig!

Und dann schwebt da diese Matte runter. Wohlge-merkt: Krankheit – erst recht wenn sie ansteckend war - wurde damals mindestens ebenso ausgegrenzt und vermeintlich ansteckend Kranke ebenso abgeschoben wie bei uns heute! (Wenn da auch nicht wie an der Kirchentüre mitten in Freiburg steht: „Menschen mit Erkältungskrankheiten dürfen nicht zum Gottesdienst kommen!“) - Und jetzt in diesem Zuhause Jesu in Ka-phernaum – MITTENDRIN - dieser Gelähmte. (Ob der nicht ansteckend ist, wissen die ALLE doch gar nicht!)

Keine Worte! - Umso mehr Bilder. - Umso mehr - Störung hoch drei! Jesus sieht die Menschen da oben auf dem Dach an! Jetzt – jetzt lächelt er ganz bestimmt, oder? Sieht ihr unermessliches Vertrauen in seine Möglichkeiten und sagt dann diesen ungeheuren Satz: „Mein Sohn!“ (vielleicht war der Jahrzehnte älter als Jesus) „Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!“

             Dies ist - die zweite BILDSTÖRUNG!

Das wirkte so unter den Rechtgläubigen, als wenn hier jetzt einer sagen würde: „Komm, lass man, Jung, du in deinem schwarzen Mäntelchen, ich predige weiter!“

Oder - wie kürzlich - der Antrag in der Katholischen Kirche, dass Frauen (FRAUEN! Man stelle sich einmal vor) auch taufen möchten – Als würde im Bundestag einer plötzlich die eigene Partei (die eigene!) infrage stellen. - Als würde in der frömmsten aller Bibelschu-len einer lehren, Gott könne sich auch mal irren. - Als würde sie, die im Gottesdienst war, vier Esser mehr mit nach Hause bringen und rufen: Schaut, wen ich mitgebracht habe…!“ -  Als würde in der Eifel einer am Sonntag den Rasen mähen. (Naja, vielleicht nicht mehr ein ganz so schreckliches Sakrileg…!?) Andere ähnlich erschütternde  Beispiele? …

Und sie – die Hochgelehrten Bibelforscher - sagen ... nicht. Aber Jesus spürt nicht nur die Veränderung in der Atmosphäre. Er weiß ganz genau, was sie jetzt denken und tuscheln und warm sie dezent die Köpfe schütteln. Und stellt ihnen eine Fangfrage: WAS IST DENN LEICHTER? …

Und jedes Mal, wenn dieser Text zu behandeln ist, frage ich mich - GANZ EHRLICH - in schöner Regel-mäßigkeit, was ich antworten würde. Denn leichter ist natürlich zu sagen „Deine Sünden sind dir vergeben!“ Das kann ja keiner nachprüfen. Wenn ich aber sage „Steh auf!“, und der steht nicht auf … Und dann denke ich: Im tieferen Sinne ist es doch viel einfacher, jemanden körperlich zu heilen, als ihm höchstper-sönlich die Brücke zu Gott zu schlagen und ihm all seine Sünde zu vergeben. - Unerhört! Und machen wir es uns bitte nicht vorschnell evangelisch-leicht. „Sünden vergeben!“ „Sünden vergeben!“ „Sünden vergeben!“ - - - Das kann immer noch – nur Gott!!!

Jesus jedenfalls – um seine Vollmacht unter Beweis zu stellen – welch ein PG (also „persönliches Glück“) für den Gelähmten als Kollateralwirkung sozusagen – Jesus spricht nun die Worte, die gleich ALLE zum Entsetzen, zum Lobpreis und zum „SOWAS-HABENWIRJANOCHNIEGESEHEN!“ bringen wird.

“Ich sag dir! Steh auf! Nimm die Matte! Geh heim!“

Und der macht das! - Der macht das! - Und der staunt wahrscheinlich  selber am meisten. Der ist wahr-scheinlich auch am meisten entsetzt. Der ist wohl der, der Gott nun am lautesten lobt. Der gar keine Worte hat um noch – wie alle -  zu rufen

„SOWASHABEICHJANOCHNIEGESEHEN!“ Der daran keinen Gedanken verschwendet. Was solls schon. Nie gesehen! Doch heute geschehen. Und zwar an mir

Ihr kennt ja gewiss alle (!?) die Ruhrgebietsabkürzung für „SOWASHABENWIRJANOCHNIEGESEHEN!“, nicht wahr? - - - BOAH-EY!

Wann schmeiß ich denn endlich all das Gelähmte und Verkorkste in mir, das Misslungene und Verletze um mich herum vor die Füße? Wann schmeiß ich IHM endlich mal meine Trauer, meine Verzweiflung, meine Angst und meine unendlich wichtigen Fragen vors Kreuz?

Wann ist mir endlich wieder mal kein Aufwand zu groß und kein Dachboden zu hart, um mitzukriegen, was Jesus jetzt machen wird! Wann stelle ich endlich mal wieder mein Gottvertrauen ... nein, nicht zur Schau, aber auf die Probe? Wann setze ich mein Vertrauen auf Jesus endlich mal wieder dem Risiko aus, dass er nicht handelt – oder zumindest nicht so, wie ich das gerne hätte….

UND DER FRIEDE GOTTES, DER HÖHER IST ALS ALLE (!) UNSERE VERNUNFT, DER BEWAHRE UNSERE HERZEN UND SINNE IN CHRISTUS JESUS, DEM GEKREUZIGTEN UND AUFERWECKTEN UND GEGENWÄRTIGEN! Amen

 

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