Von SYBILLE FRERES, Prädikantin (Evangelische Kirchengemeinde Bitburg)
Predigttext 1.Samuel 3, 1-10
1 Der junge Samuel half Eli beim Priesterdienst. In jener Zeit kam es nur noch selten vor, dass der HERR zu einem Menschen sprach und ihm etwas offenbarte. 2 Eli war fast erblindet. Eines Nachts schlief er an seinem gewohnten Platz 3 und auch Samuel schlief im Heiligtum, ganz in der Nähe der Bundeslade. Die Lampe im Heiligtum brannte noch. 4 Da rief der HERR: »Samuel!« »Ja«, antwortete der Junge, 5 lief schnell zu Eli und sagte: »Hier bin ich, du hast mich gerufen!« »Nein«, sagte Eli, »ich habe nicht gerufen. Geh wieder schlafen!« Samuel ging und legte sich wieder hin. 6 Noch einmal rief der HERR: »Samuel!«, und wieder stand der Junge auf, ging zu Eli und sagte: »Hier bin ich, du hast mich gerufen!« Aber Eli wiederholte: »Ich habe dich nicht gerufen, mein Junge, geh nur wieder schlafen!« 7 Samuel wusste noch nicht, dass es der HERR war; denn er hatte seine Stimme noch nie gehört. 8 Der HERR rief ihn zum dritten Mal und wieder stand Samuel auf, ging zu Eli und sagte: »Hier bin ich, du hast mich gerufen!« Da merkte Eli, dass es der HERR war, der den Jungen rief, 9 und er sagte zu ihm: »Geh wieder schlafen, und wenn du noch einmal gerufen wirst, dann antworte: ›Sprich, HERR, dein Diener hört!‹« Samuel ging und legte sich wieder hin. 10 Da trat der HERR zu ihm und rief wie zuvor: »Samuel! Samuel!« Der Junge antwortete: »Sprich, dein Diener hört!«
Predigt
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.
Liebe Leserin, lieber Leser,
„Du hörst mir überhaupt nicht zu, Papa!“ und „Hörst du eigentlich nichts? Ich hab‘ schon dreimal zum Mittagessen gerufen!“ – Zwei Originalzitate aus der Kommunikation zwischen meinen Enkeln und ihren Eltern aus der Zeit, als sie Ostern zu Besuch waren. Hören ist so wichtig – das wissen wir nicht erst, seit uns der ewige blondgelockte Jüngling Thomas Gottschalk ständig in der Werbung erklärt, dass man Orchester dirigiert und Paragliding lernt, wenn man nur – technisch unterstützt - gut hört. Sogar die Freiheit würde man dann rufen hören. Mein Handy liefert mir fast täglich Werbung für Hörgeräte – ok, ich bin in der richtigen Altersklasse… Selbst meine Fernsehzeitschrift ruft es mir täglich zu. Hören, das ist Kommunikation, das ist Gemeinschaft, Austausch, Verbundenheit. Und was unter uns Menschen so wesentlich ist – und doch so oft nicht funktioniert – gilt doch genauso in der Interaktion zwischen Mensch und Gott. Zwischen mir und Gott. Aber – funktioniert es da besser?
„Gott redet heutzutage nicht mehr mit Menschen.“ „Ich höre Gott nicht, er redet nicht mit mir.“ Zwei mögliche und oft gegebene Antworten auf die Frage: Höre ich Gott reden?
Die erste Feststellung - Gott redet heutzutage nicht mehr mit Menschen - kann man zwar treffen, sie ist aber höchst unwahrscheinlich – wieso sollet Gott das Reden mit den Menschen aufgegeben haben, wenn er doch selbst zu Zeiten, in denen sich das Volk Israel von ihm abgewandt hat, immer wieder mit Propheten der verschiedensten Herkunft redet – wie zum Beispiel dem im Predigttext genannten Samuel -, dann in der Gestalt von Jesus Christus selber mit den Menschen spricht und ihnen dann noch seinen Gest schickt, der als Führer und Tröster dienen soll – wie denn bitte, wenn wir ihn nicht hören könnten? Gott redet nicht zu mir – auch kein Argument – wenn wir alle Gott gleich lieb und teuer sind, wir alle seine Kinder – wieso sollte er mit dem einen reden, mit dem anderen nicht? Mag bei menschlichen Eltern nach schlimmen Zerwürfnissen schon vorgekommen sein, aber seit Christi Tod sind diese Trennungen zwischen Menschen und Gott nicht mehr von Bestand.
Liegt es also vielleicht daran, wie wir hören definieren? Natürlich erst einmal als etwas, das wir durch unsere Ohren aufnehmen – wer von Ihnen den neuen Gemeindebrief schon in der Hand hatte, hat auf der Rückseite vielleicht das menschliche Ohr entdeckt, dem die Hand noch als Verstärker dient. Aber wir kennen doch auch den Begriff der „inneren Stimme“, die uns etwas sagt – oft etwas ganz Wesentliches, Entscheidendes. Viele Generationen vor uns haben aus Briefen die Stimme des Menschen gehört, den sie liebten- zu der Zeit, als wir noch Briefe schrieben - Liebesbriefe, Briefe von der Front im Krieg. Heute ist es vielleicht nur ein kleiner Zettel mit einer kurzen Mitteilung - aber wenn die mit einem Herzchen oder einem Kussmund endet, dann hören wir doch in uns die Stimme dessen, der oder die sie verfasst hat. Ein gut geschriebener, packender Roman, egal welcher Gattung, lässt uns in unserem Inneren die Stimmen der Protagonisten hören, als wären wir dabei. Und deshalb noch einmal die Frage von vorhin: Wieso soll es zwischen Gott und mir anders sein?
Gottes Worte an uns, sein Liebesbrief – Das Erste und das Zweite Testament – wir können sein Reden zu uns darin lesen, es steht schwarz auf weiß auf Papier oder im elektronisch erzeugten Druck. Dass daraus seine Stimme zu uns spricht, wir Ihn in uns hören, wird natürlich einfacher, wenn wir unsere Antennen auf ihn ausrichten, mit ihm in Verbindung zu ihm treten wollen, wir uns als Adressaten dieses Briefes sehen. In dieser Verfassung – aber ebenso auch gänzlich unvorbereitet- kann es dann geschehen, dass ein Bibelvers etwa in uns zum Schwingen bringt, unser Herz berührt wird - und wir plötzlich wissen – Er spricht uns an, ganz direkt. Es kann durch Hilfe anderer Menschen geschehen, dass wir Seine Stimme hören – so wie Eli dem jungen Samuel auf die Sprünge hilft, wer da ruft. Ich erinnere mich gut an eine Filmsequenz aus einem Alpha -Kurs -Film, in der Pastor Nicky Gumble davon erzählt, wie an einem Tag er dreimal auf dieselbe Bibelstelle gestoßen wird – durch seine Frau, einen Freund und durch ein Plakat in der U-Bahn - und er sich fragt: Will Gott mir etwa etwas damit sagen?
Und manchmal hören Menschen Gottes Stimme direkt – so wie Samuel in unserem Text. Als Stimme von außen oder als inwendige Stimme. Mal völlig unerwartet, nach Gottes Zeitplan. Oder als Antwort auf Intensives, hörendes, nicht nur redendes Beten- dann, wenn wir aufhören, nur unsere eigene Stimme zu hören und in die Stille gehen und warten und hinhören – so kann die Tür aufgestoßen werden, die Gottes Stimme bisher ausgesperrt hat.
Was wir hören, wenn wir hören – es kann so vieles sein – Trost, Ermutigung, eine Lösung – und manchmal das wortlose und doch so viele Worte in mir auslösende Spüren Seiner Gegenwart. Oder ganz anders. Jeder Mensch macht seine eigenen Erfahrungen, wer er oder sie sich auf den Weg zum Hören macht.
Dass wir ins nicht falsch verstehen – ich habe Ihnen jetzt kein Kochrezept erklärt, keine Gebrauchsanweisung gegeben – macht das und das, dann ist das Hören Gottes garantiert – solche Rezepte gibt es leider nicht, wäre zu einfach – es ist immer noch Gott, der Herr dieser Welt, auf dessen Stimme wir warten. Und im lauten Orchesterklang des Alltags kann es schwer werden, Seine Stimme zu hören – wir wissen nicht, ob wir sie wie Samuel hören werden, laut wie eine Trompete oder aber zart wie der Klang einer Triangel. Aber damit rechnen, es zur Gewissheit in mir werden und sein lassen, dass Gott mit uns reden kann und will, verringert unsere geistliche Taubheit, nimmt die Ohrstöpsel aus unseren inneren Ohren – und wenn wir einmal Seine Stimme erkannt haben, werden wir sie immer wieder raushören- wie ein Kind, das im Stimmengewirr einer Feier doch die rufende Stimme der Mutter oder des Vaters heraushört.
Aber ein wenig Essig muss ich jetzt doch in den Wein gießen – kann es sein, dass wir bisher oder immer mal wieder Gottes Stimme nicht hören, weil wir sie nicht hören wollen? Weil es nämlich Konsequenzen haben würde und müsste, sie zu hören? Weil es dazu führen würde, gehorsam zu sein, dem zu folgen, was Gott von uns will? Gehorsam ist aus verschiedenen, zum Teil guten Gründen nicht mehr so üblich – die Geschichte unseres Volkes hat uns gelehrt, dass Gehorsam gegenüber der Obrigkeit zu entsetzlichen Folgen führen kann; Gehorchen hat zu schlimmem Missbrauch innerhalb und außerhalb von Familien geführt. Aber der Gehorsam, von dem die Bibel spricht, ist kein blindes Gehorchen, bei dem wir unser eigenes Denken ablegen, kein sog. „Kadavergehorsam“, kein willenloses Befolgen von uns eigentlich widerstrebenden Anordnungen. Wenn die Bibel von gehorchen spricht, ist auch immer unser Wort „horchen“ im Sinne von auf etwas bzw. jemanden hören mitzudenken. Wenn Ihnen ein Freund vor einer Autofahrt sagt, dass auf der von Ihnen gewählten Strecke wegen einer Baustelle immer Stau ist – und Sie fahren diese Strecke trotzdem und stehen geschlagene 45 min – dann kommt doch unweigerlich der Gedanke „Hätte ich bloß auf ihn gehört…“ Gott gehorchen bedeutet auf ihn zu hören – auf seine guten Regeln, auf seine Pläne für uns, sein Wissen um die Baustellen und Staus in unserem Leben. Es bedeutet, seiner Liebe zu uns zu vertrauen, die es gut mit uns meint. Vertrauen, das ist im griechischen Urtext das Wort, das Martin Luther mit „Glaube“ übersetzt hat. Auf Gott hörend, Im Vertrauen auf und aus Glauben an Ihn heraus sind wir aufgefordert, nicht etwa blind zu gehorchen, sondern Seinen Willen zu unserem zu machen, einen selbstbestimmten Perspektivwechsel vorzunehmen und die neue Route einzuschlagen, Straßen, die uns Kummer bereiten, aus unserer Lebensnavigation zu streichen. Dieser Gehorsam bringt uns auf den Weg, der zum Guten führt.
Der junge Priesterdiener Samuel aus unserem Predigttext wird gerufen – und hört – erst nicht begreifend, denn „er hatte Gottes Stimme noch nie gehört.“ Und als ihm erklärt wird, wer da ruft, antwortet er: „Sprich, dein Diener hört!« Wir müssen es nicht wörtlich so formulieren, die Sache mit Diener und Dienerin entspricht nicht mehr unserer Lebenswirklichkeit. Ich persönlich finde mich wieder in der Formulierung der Bibelübersetzung „Hoffnung für alle“ - sie übersetzt diesen Vers mit: „Sprich, HERR, ich höre. Ich will tun, was du sagst.“. Darum geht es: Diesen Satz Wahrheit werden zu lassen. Zuhören und auf Gott hören – das wird mich verändern. Und ich werde es – wahrscheinlich – auch nicht immer tun – das Hören nicht und vielleicht auch nicht das Tun. Aber ich will es mir vornehmen, will diesen Satz „Sprich, HERR, ich höre. Ich will tun, was du sagst.“ auf mich und in mir wirken lassen.
Samuel wird von Gott gerufen und berufen. Zu Gottes Werkzeug berufen – er wird einer der wichtigsten Propheten Israels, mit großem geistlichem und politischem Einfluss.
Wenn wir hören – hinhören und auf Ihn hören – können auch wir gerufen und berufen werden. Aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zu Prophetinnen und Propheten. Aber wir werden vielleicht gerufen werden, die Berufung zu leben, die schon in unserer Taufe geschehen ist: zu Werkzeugen Gottes zu werden, zu Menschen, die seinen Willen tun und ihn in diese Welt weitertragen, zu Nachfolgern und Nachfolgerinnen seines Sohnes Jesus, berufen zu Menschen, die voller Vertrauen der Stimme und dem Willen Christi folgen.
Und der Friede Gottes, der so viel größer ist als unser Verstehen, bewahre unsere Herzen in Christus Jesus, unserem gekreuzigten und auferstandenen und gegenwärtigen Herrn.
Amen.
Digitale Kollekte
Wenn Sie im Augenblick keinen öffentlichen Gottesdienste besuchen können oder möchten.
Sie aber etwas in die Kollekte für die verschiedensten Zwecke und Werke geben möchten, ist hier die Möglichkeit für die jeweiligen Tage dazu:
https://www.kd-onlinespende.de/organisation/ev-kirche-im-rheinland/display/frame.html
Herzlichen Dank für die Unterstützung.
Gruß
Ihre/eure Sybille Freres