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DIE REFORMATION IN DER EIFEL

125 Jahre evangelische Kirche und Gemeinde in Bitburg am 28. Okt. 2000

Festvortrag von Dr. Peter Neu, Bitburg

Es gibt Tage im Jahr, da möchte man an die Decke gehen. Da schaltet man abends die Fernseh-Nachrichten ein und muß hören, wie in Nordirland Katholiken oder Protestanten aufmarschieren, wie Polizeicordons die Gruppen auseinanderhalten müssen, wie Fanatiker auf ihre angeblich so heiligen Rechte pochen, wie gleichzeitig Molotow-Cocktails hochgehen. Man sieht es, man hört es und man fragt sich, ob das alles im Jahre 2000 ein schlechter Film sei.

Protestanten und Katholiken nebeneinander - in unserer Region ist das - Gott sei´s gedankt - kein Problem. Kein Problem mehr! - Denn schlagen wir die Chroniken auf, dann kommen wir schon ins Nachdenken und ins Grübeln. Wir brauchen dabei gar nicht so weit zurückzublicken. Und vielleicht erging es Ihnen ja wie mir. Wie Sie vielleicht wissen, bin ich in einem kleinen Dorf hier in der Nähe von Bitburg aufgewachsen , wir gingen als Kinder alle brav jeden Sonntag zur Messe und wir waren, das war kein Thema, fromme und treue Katholiken. Nur eine Ausnahme gab es da, ein fast gleichaltriger Junge, Berndchen, der brauchte nie sonntags früh aufzustehen und zur Kirche zu gehen. Er war evangelisch. Seine Eltern waren während der Westwallbau-Zeit im Ort hängen geblieben. Und dieses "Anders sein als wir", das wir bei Berndchen fanden, machte ihn irgendwie verdächtig und zum Außenseiter. Gab es einen unangenehmen Vorfall, wer kam als erster in Verdacht: Berndchen; gab es einen Streit, wer bekam als erster die Schläge aller ab: Berndchen. Als Kinder machten wir sich darüber keine Gedanken, wir gehörten ja zur Mehrheit - und die hat bekanntlich meist das Recht auf ihrer Seite. "Evangelisch" - das war halt anders als wir - und der arme Junge hatte es sicher manchmal sehr schwer. Kein Lehrer und kein Pfarrer machte uns - wenn ich mich recht erinnere - auf unser Fehlverhalten aufmerksam. Erst viel, viel später ging mir auf, was da unter uns Kindern im Dorf ablief, und oft habe ich als Lehrer in der Schule dieses Beispiel erzählt, wenn es um das Thema Religionsstreit und Religionskämpfe ging. Nun aber zurück zu den historischen Ursprüngen.

Für uns ist es ganz selbstverständlich: die Eifel ist - oder war zumindest - ein reinkatholisches Land. Über 99 % der Einwohner waren zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts katholisch. An Andersgläubigen gab es wenige Israeliten, auf jeden Fall aber noch viel weniger Evangelische.

Wir nehmen das als gegeben hin und erinnern uns vielleicht noch an unsere Geschichtsstunden, wo wir einmal etwas hörten von "Cuius regio - eius religio - Wer die Herrschaft hat, der bestimmt auch die Religion." Seit 1555 galt dieser Satz für das ganze römisch-deutsche Reich. Und wo ein katholischer Kurfürst und Erzbischof von Trier oder ein katholischer Herzog von Luxemburg regierte, da war für Evangelische kein Platz.

Daß es allerdings auch in der sonst als finster verschrienen Eifel einst eine reformatorische Bewegung gab, das hat man lange totgeschwiegen, vielleicht auch verdrängt. Erst in den letzten Jahrzehnten sind zum Teil die Quellen dieser Reformation in der Eifel wieder aufgetaucht. Es war eine "Gescheiterte Reformation", wie ein Verfasser (Hans Christoph Rublack) vor rund 20 Jahren das Ereignis genannt hat. Wir wollen heute dieses völlig zu Unrecht vergessene Kapitel Eifeler Geschichte noch einmal aufblättern.

Die Eifel war katholisch - ja. Aber schon zu Lebzeiten Luthers, und das ist kaum bekannt, gab es reformatorische Bestrebungen im Land zwischen Rhein - Maas und Mosel.

Zentrum des Eifeler Protestantismus wurden im 16. Jahrhundert die Gebiete der Grafen von Manderscheid. Ihnen gehörte damals die halbe Eifel, ihnen gehörte natürlich Manderscheid, aber auch Neuerburg und Bettingen, Oberkail und Gerolstein - Kronenburg - Stadtkyll - Blankenheim und nicht zuletzt Schleiden. Und damit rücken wir also ganz in die Nähe von Bitburg.

Um die Anfänge der Reformation zu verstehen, aber sollte man kurz einige Sätze sagen über das Leben und auch über das religiöse Leben in unserer Heimat um 1500, soweit die Quellen darüber berichten. Unsere Vorfahren, die allesamt weder lesen noch schreiben konnten, fristeten ein armseliges Leben in ungesunden, feuchten Wohnungen. Kriege, Hungersnöte, Seuchen trugen das ihre dazu, daß man in diesem Jammertal nur selten 50 wurde und daß man keine schönen Zeiten erwarten konnte. Man lebte - anders als wir - im Blick auf das Jenseits, wo dieses Jammertal zu Ende war. Wer es sich leisten konnte, sorgte früh genug vor; das konnten vor allem natürlich Grafen und Fürsten. So glaubte Kaiser Friedrich III. sein Seelenheil dadurch sichern zu können , daß er in seinem Testament festlegte, daß bei seinem Tod 30.000 Seelenmessen zu lesen seien. Und eine Nürnberger Äbtissin Caritas trat in dieser Zeit um 1500 dafür ein, daß in jedem Rosenkranzgesetz am besten 5000 Ave Maria gesprochen werden müßten, statt nur dürftiger 10. Von Kardinal Albrecht von Brandenburg weiß man, daß er insgesamt Ablässe für 39 Millionen Jahre kaufte und anhäufte.

Und in der Eifel? Unsere Gegend blieb von diesen Auswüchsen keinesfalls verschont. Wer Ablaßbriefe sehen will, der braucht nur die Stadtbibliothek in Trier aufzusuchen, wo man eine ganze Reihe in alten Akten aufbewahrt. Und der Graf von Manderscheid-Blankenheim, den wir eben schon kennenlernten, glaubte seine Frömmigkeit dadurch zu steigern, daß er zahlreiche Reliquien erwarb, sie zum Teil in seiner Burg anhäufte, zum Teil an Kirchen im Land weitergab. Er wie die Zeitgenossen waren der Meinung, daß die Heiligen, deren Reliquien er verehre, ihm Fürsprecher im Himmel sein könnten. Wie viel falsche Knochen und Knöchelchen durch unseriöse Reliquienhändler damals durch die Gegend getragen und teuer verschachert wurden, weiß heute kein Mensch, daß es aber einen sehr unseriösen Reliquienhandel in einer Zeit des Analphabetentums gab, ist unzweifelhaft.

Und die Geistlichkeit auf dem Land? Ein anschauliches Bild von ihrem Leben gibt uns der Trierer Kurfürst Johann Ludwig von Hagen in einer Verordnung des Jahrs 1542. Da schreibt er (Scotti, Verordnungen Bd. 1, S. 315/16):

"Wir werden glaublich berichtet, wie sich die geistlichkeit in unserem Ertzstifft allenthalb mit irem leben, handel und wandel vast ungeburlich halten, und dardurch viel ergernus dem gemeinen mann geben. ; nachdem, als wir hoeren, irer ettlichen tag und nacht in offenen wirthsheußeren bei dem wein sitzen und alle leichtfertigkeit under sich selbst und mit dem bauersmann pflegen, sich auch zu vielmalen undereinander hauwen, stechen, reuffen und schlagen un sonst in iren heißern mit verderblicher beiwonung dermaßen leben sollen, daß jederman ein boeß exempel darab neme."

Ein solcher Erlaß des Trierer Erzbischofs kam nicht von ungefähr. Der Oberhirte sah also Mängel - so wie sie auch die Reformatoren sie sahen. Als der Trierer Erzbischof schließlich im Sinne der Gegenreformation um 1560 eine erste Visitation - also Besichtigung und Bereisung - seiner Pfarreien durchführen ließ, trafen die Visitatoren in der Tat auf manche unhaltbaren Zustände, die wir heute nicht mehr kennen würden, wenn wir nicht die Berichte der Visitatoren hätten. Damals hatten, allein an 5 Orten des Dekanates Bitburg, Geistliche Kinder, so u. a. in Bollendorf, Edingen, Gransdorf, Fließem. Dem Pfarrer von Edingen an der Sauer, der 34 Jahre alt war, warf der Visitator aber noch anderes vor; er halte sich - wie es heißt - "mit seinen nachbarn zänkisch".

Den Pfarrer von Gransdorf aber tadelte der Visitator nicht nur, er lobte ihn auch, denn trotz seiner 5 Kinder halte er - wie es heißt "zucht und ordnung" in der Kirche.

Schaut man in benachbarte Dekanate, dasselbe Bild bietet sich. Da heißt es etwa vom Pfarrer von Vichten in Luxemburg: "Er hält 2 Mägde, unterhält eine große Familie, spielt Karten und verbringt die meiste Zeit im Wirtshause." Oder über den Pfarrer in einer anderer Luxemburger Pfarrei (L´Eglise)- Luxemburg gehörte damals zur Diözese Trier - "Führt ein skandalöses Leben, flucht, ist ein ehebrecher, verbringt sein ganzes Leben in den Wirtshäusern oder als Pferdehändler auf der Straße."

Diese Beispiele sollen genügen. Hier muß man einhalten, denn - auch das sei gesagt - über die damaligen Bitburger Geistlichen gab es keine schwerwiegenden Klagen - wenn man denn das Kartenspiel als läßliche Sünde einstuft. Man sieht, nicht überall gab es dasselbe Bild des Zerfalls.

Aber die Beispiele zeigen doch: Auch in der Eifel hätte um 1500 - 1550 ein Luther auftreten können, mit der Faust auf den Tisch schlagen sollen und zu einer Neubesinnung aufrufen müssen. Aber einen Luther der Eifel kennen wir nicht.

Als 1530 in Augsburg auf einem Reichstag die Confessio Augustana, das Augsburger Bekenntnis, endgültig und klar katholische von evangelischer Lehre abgrenzte, da findet sich bereits in der Eifel das erste schriftliche Zeugnis der Lehre Luthers. Man muß bedenken, in einer Welt ohne moderne Kommunikation, ohne gute Straßen und mit nur sehr wenigen gedruckten Bücher und Schriften trat an der oberen Kyll, genau in Kronenburg bei Stadtkyll, ein Geistlicher auf brachte Bedenken vor gegen Heiligenfeste, gegen Marienverehrung und vertrat die Meinung, man solle sich einzig auf die Hl. Schrift berufen.

Woher kamen diese Gedanken mitten in die "finsterste" Eifel? Wir wissen es nicht genau, man kann nur vermuten, daß die Eisenindustrie, die es in Kronenburgerhütte am Fuße der Burg gab, dazu beigetragen hat, denn eine solche Hütte zog Facharbeiter, Händler und Fremde an.

Der Kronenburger Pfarrer unterstand natürlich damals nicht nur seinem Bischof, sondern mindestens genau so war er abhängig von seinem weltlichen Herrn, und das war Graf Dietrich von Manderscheid (+ 1551). Dieser Dietrich, dem die Nachwelt und wohl auch schon die Zeitgenossen den Beinamen "Dietrich der Weise" gaben, findet sich wiederholt im Umkreis des Kölner Erzbischofs Hermann von Wied, der bekanntlich auf sein einträgliches Amt verzichtete und zum neuen Glauben wechselte. In der Begleitung dieses Kölner Kurfürsten nahm der Eifelgraf an verschiedenen Reichstagen in den bewegten Jahren nach dem Thesenanschlag teil. In Gesprächen zwischen den Kaiserlichen und den sogenannten Schmalkaldenern wurde der Eifelgraf als Vermittler eingeschaltet. "Angenehm und annehmbar für beide Seiten", heißt es um 1540 von ihm. Und Melanchthon, einer der großen Reformatoren, bezeichnet diesen Manderscheider als "sehr angenehmen Mann".

Martin Bucer, der Reformator Straßburgs, weilte sogar zeitweise in der Eifel, und zwar auf Burg Schleiden, als Gast dieses "weisen Dietrich". Er nennt ihn einen "herzlich getrewen Christ". Bucer widmete sogar dem Bruder des Grafen, Ruprecht, eine seiner Schriften und schriebt in der Widmung, der Graf Ruprecht sei "ganz dem evangelio zugethan".

Der Sohn des Schleidener Rentmeisters, also eines hohen gräflichen Beamten, Johannes, zog gar 1541, also zu einer Zeit, als Luther noch lebte, auf die Universität Wittenberg.

Wenn man das alles zusammenfaßt und aus moderner Sicht beurteilen soll, kann man nur staunen: In der Eifel gab es also schon zur Zeit Luthers Adelige und Geistliche, die der neuen Lehre Interesse und wohl auch Sympathie entgegenbrachten. Zwar besitzen wir aus Bitburg direkt kein Zeugnis, dafür aber ein um so deutlicheres aus dem nahen Neuerburg.

Im Jahrhundert der Reformation wirkte in Neuerburg ein Pfarrer Nikolaus von Reuland. Über ihn berichtete der Luxemburger Rat Keck:

"Klaus ist ein guter Prediger, ihm ist es gelungen, den alten Pfarrer zu überzeugen, daß es nach der Hl. Schrift nur die Kommunion unter beiderlei Gestalt gibt. So hat auch dieser Pfarrer sie fortan unter beiderlei Gestalt gereicht. Klaus teilte bisher die Kommunion nur unter beiderlei Gestalt aus; nur ausnahmsweise, wenn jemand es wünschte, reichte er nur die Hostie. Er sagte dann, er wolle ihrer Schwachheit keinen Zwang antun. Den Pfarrkindern gab er den Rat, die Prozessionen vor Johannistag zu unterlassen, indem er erklärte: "Bleibt zu Hause und betet in Eurer Kammer, mit der Prozession zu gehen, heißt, an der Seite des Teufels einherlaufen." Bei der Taufe bedient er sich bald der lateinischen, bald der deutschen Sprache."

Soweit das Zitat, das noch erheblich weiter fortfährt und darin gipfelt, daß Klaus nur noch das gelten lassen wolle, was in der Schrift stehe. "Menschliche Satzungen" , wie er sich ausdrückte, wollte er nicht annehmen. Schließlich warb er um die Hand der Tochter eines Neuerburger Bürgers, die er heiraten wollte, weil er - wie er sagte - der Lehre des Apostels Paulus folge.

Auf Burg Neuerburg lebte um 1570 Graf Joachim von Manderscheid. Der muß das Vorgehen seines Geistlichen akzeptiert haben. Der Graf selbst schrieb seinem Vetter Eberhard, Domherr in Köln, daß er bei der letzten Kindtaufe trotz Fastenzeit Fleisch gegessen habe, aber das mache ihm kein Kopfzerbrechen. Die religiöse Einstellung des Burgherrn blieb den Luxemburgern und Spaniern nicht verborgen. Der Statthalter der Niederlande, Alexander Farnese, schrieb über ihn: "Er und seine Frau sind Häretiker, sie essen Fleisch an verboteten Tagen und begehen andere skandalöse Dinge."

Diese Berichte aus Neuerburg zeigen, wie in fast unmerklicher Weise - im Gegensatz zum sogenannten Täufertum - der Übergang zur lutherischen Lehre sich vollzog.

Und auch aus Prüm haben wir Nachricht darüber, daß die katholische Kirche sich Sorge machte, daß der Ort vom alten Glauben abfallen könne. Das allerdings hing auch wieder mit der Familie der Grafen von Manderscheid zusammen, denn in der Benediktinerabtei Prüm residierten fast ein Jahrhundert lang Manderscheider Grafensöhne als Äbte. Als 1576 Abt Christoph von Prüm-Manderscheid starb, rückte eine kleine Trierer Streitmacht ein, um notfalls mit Gewalt die rechte Lehre wieder herzustellen. Ein Jesuit, der in der Kirche predigen mußte, drückte seine Enttäuschung den Worten aus: "Diese Leuthe (= Einwohner Prüms) wollen alle äußerlich als Katholiken gelten und auch so genannt werden. Aber sie tragen davon nur den leeren Namen. Ihr Katholizismus ist durchsetzt mit 1000 Irrtümern und ganz verdorben, in Wirklichkeit sind es Lutheraner. neulich begann ich in der Kirche zu predigen. Da liefen sehr viele aus dem Gotteshaus und kamen niemals mehr in die Kirche. Sie kommen mir mit der Ausrede, von ihrem Pfarrer werde solches nicht gelehrt."

Die Worte sprechen für sich.

Wie reagierte die Obrigkeit? An ihr hing alles. Wenn sie den Wandel mitvollzog, wechselte die Gegend innerhalb kürzester Zeit zur neuen Lehre über, wenn sie sich widersetzte, verdorrten die kleinen Pflänzchen schnell.

Landesherren im Bitburger Raum waren die Kurfürsten von Trier und die Herzöge von Luxemburg. Seit 1555 war der König von Spanien gleichzeitig Herzog von Luxemburg. Auf dem spanischen Thron saß damals Philipp II., der Sohn des großen Karl V.. Philipp sah sein Lebensaufgabe darin, die katholische Lehre zu bewahren - mit allen Mitteln - notfalls mit Waffen und der gefürchteten Inquisition, wie man an dem blutigen Krieg sehen kann, den er gegen die Geusen, die Niederländer, führen ließ. Erzbischof in Trier wurde 1567 Jakob von Eltz (+ 1581), ein Mann der entschiedenen Gegenreformation, der mit allen Mitteln gegen die aufkommende neue Lehre vorging. Das waren also die denkbar ungünstigsten Voraussetzungen - wenn man es aus evangelischer Sicht sieht - die denkbar günstigsten, wenn man es aus der Sicht der Katholiken betrachtet.

Wie das im Einzelfall vor sich ging, das kennen wir sowohl aus Neuerburg, aber auch aus Oberkail oder Prüm, also ganz hier aus der Nachbarschaft. Im Sommer 1590 teilte Graf Dietrich von Manderscheid-Kail (+ 1613) dem Erzbischof von Trier mit, daß seine Mutter Anna (von Leiningen-Westerburg) "durch eine geschwinde schwacheit übereilt" verstorben sei. Er habe sie in Oberkail in der Familiengruft beisetzen lassen. Der Trierer Erzbischof aber bedrohte auf diese Nachricht hin den Pfarrer von Oberkail mit Exkommunikation und damit, daß die Kirche entehrt sei, wenn nicht sofort die Gräfin aus ihrer Gruft entfernt werde. Als Grund gab er an, die adelige Dame sei "ihr lebzeith biß auch in den todt der Catholischen religion nicht zugethan gewesen", sie habe die Osterkommunion nicht empfangen, habe nicht gebeichtet und in ihrer Umgebung einen abtrünnigen Geistlichen geduldet. Das seien Gründe genug, ihr ein christliches Begräbnis zu verweigern. Von Trier aus bestand man auf der Exhumierung der Gräfin, erst danach dürfe die Kirche wieder benutzt werden. Der Streit wurde bis vor den Nuntius getragen. Ein jahrelanger Briefwechsel wurde geführt, wobei der Sohn mit Nachdruck darauf beharrte, daß die Mutter nie eine "Häretikerin" gewesen sei. Schließlich lenkte der Erzbischof von Trier offenbar ein, die Exhumierung fand nicht statt.

Und in Neuerburg, auch dort schritt vor allem die weltliche Macht, der Herzog von Luxemburg, energisch ein. Er nutzte den Zeitpunkt, als Joachim von Manderscheid (+ 1582) plötzlich starb. Seine Witwe Magdalena (von Nassau-Idstein) mußte die Burg und den Ort verlassen, auch ihr warf man vor, sie sei eine Abtrünnige und sie fördere die neue Lehre. Die Witwe verließ mit sieben unerwachsenen Kindern die Westeifel, das älteste war erst 12 Jahre alt, und suchte schließlich Zuflucht auf Burg Virneburg unweit Mayen, wo sie sich sicherer glaubte. Hier machte man es ihr zur Auflage, ihren einzigen Sohn Philipp Dietrich nur von katholischen Lehrern und auf einer katholischen Universität erziehen zu lassen. Der Junggraf studierte dann im katholischen Freiburg, verhöhnte aber in seinen Briefen, die er der Mutter sandte, das "papistische Freiburg". Der Mutter versicherte er, daß er nach wie vor treu zur "Augsburgischen Lehre" stehe und daß niemand ihn davon abbringen könne. - Was die katholische Kirche mit ihrer Strenge bei Einzelnen erreichte, daß zeigt sich auch bei den Töchtern. Sie gaben sich gegenseitig im Jahre 1600 das Versprechen, "bei erkanter Lehr des des hl. Evangelii augspurgischer Confession... so viel uns gott gnad verleihet, bis an unser endt bestendiglich zuverharren und von solcher uns nkicht abhalten oder verkehren zu lassen."

Eines ist eindeutig: Unter den Grafen von Manderscheid gab es einige, die der neuen Lehre sehr gewogen waren. Eine Haltung, die uns heute selbstverständlich erscheint, nämlich Toleranz zu üben, war für das 16. Jahrhundert beileibe keine Selbstverständlichkeit. Die Grafen von Manderscheid, deren Burgen wir heute noch bestaunen können, zeigten zumindest diese Toleranz. So hat auch Graf Eberhard von Manderscheid-Blankenheim den Bürgern "unserer alten statt Kill" im Zeitalter der Reformation garantiert, was "den puncten religionis oder glaubens berühret, solle einem jeden frey gelassen sein, seinem gewissen nach, gleichwol sonder ärgernuß oder verfhürung seiner nachparn und mitbürgern, zu leben." Das klingt recht modern, "nach seiner Fassong selig werden" - wie es viel später der aufgeklärte Friedrich der Große seinen Untertanen zubilligte - das gab es also schon fast 200 Jahre früher in der Eifel.

Im 17. Jahrhundert setzte sich endgültig die Gegenreformation durch. Die kleinen Pflänzchen evangelischen Glaubens, die in der Eifel zu sprießen begonnen hatten, gingen alle ein. Zum Teil war das nur möglich, weil Gewalt angewendet wurde. So jedenfalls war es in Schleiden oder Kronenburg - dort rückte nach dem Tode des zuständigen Grafen von Manderscheid der katholische Graf Philipp von der Marck (nach 1592) ein, der mit den Manderscheidern verwandt, aber streng katholisch war. So gab er in Schleiden vor, er komme, um die Witwe zu trösten, kaum aber war er in der Burg, so besetzten seine Soldaten die Tore - am Ende setzte er das durch, was er wollte: die neue Lehre wurde unterdrückt, den alten Glauben führte er wieder überall ein.

Von 1600 bis etwa 1815 gab es praktisch keine evangelischen Untertanen in den katholischen Territorien des Süd- oder Westeifelraumes.

Eine Wende brachte dann die Gründung der preußischen Rheinprovinz 1815. Our und Sauer wurden Grenzflüsse. Es mag für die Geistlichkeit, aber auch für viele unserer Vorfahren damals wie ein Schock gewesen zu sein: Wir wurden Preußen und unser König war anderen Glaubens. Der Herrscher gehörte einer Konfession an, die man bis dahin verteufelt und verketzert hatte. Bürgermeister, Landräte, Polizisten, die ins Land geschickt wurden, waren plötzlich keine Katholiken mehr. Das Zusammenleben der Katholiken und Evangelischen war im vergangenen Jahrhundert alles andere als vorbildlich. So weigerten sich zahlreiche Geistliche, nach der Messe das bis dahin übliche Gebet "Dominum salvum fac regem - Herr schütze unseren König!" noch vor der Gemeinde zu beten. Und einer der esten, die damals in unsere Gegend kamen und nicht katholisch waren, war der bekannte Prümer Landrat Georg Bärsch. Er berichtet über diese Zeit um 1820 in der Eifel: "Außer mir uns meiner Gattin gab es noch zu Prüm und in der Umgegend mehrere Evangelische, auch der Kommandeur des Landwehrbataillons und mehrtere zum Stamme dieses Bataillons gehörende Offiziere gehörten dieser Konfession an. Die nächste evangelische Kirche war in Trier. Nur wenige besaßen die Mittel, sich dahin zu begeben, um das hl. Abendmahl zu empfangen. Dadurch entstand Indifferentismus, die evangelischen. Eltern, mehrentheils in gemischten Ehen lebend, schickten ihre Kinder in die einzige bestehende katholische Schule und ließen sie katholisch werden. "

Erst 1817 bildete sich die evangelische Gemeinde Trier. Von hier aus wurden die wenigen in der Eifel lebenden Glaubensgenossen mit betreut. Erst rund 10 Jahre später - 1828 - bildete sich in Prüm eine evangelische Gemeinde, die durch den dort garnisonierten Landwehrstamm zustande kam. Und Bärsch berichtet in seinen Lebenserinnerungen, daß er sich über einen ihm bekannten Mittelsmann (Kabinettsrat Albrecht) an den König direkt wandte. Der König persönlich bewilligte - wie es heißt - "aus seiner Schatulle nicht nur ein jährliches Gehalt von 500 Talern und 50 Talern Wohnungs-Entschädigung für den anzustellenden Pfarrer, sondern auch die Kosten zur Errichtung eines Saales." Diese Gemeinde Prüm war die erste in der Eifel und sie feierte ihren ersten Gottesdienst 1821. Die Gemeinde erstreckte sich über die Kreise Prüm, Bitburg und Daun. Erst nach der Jahrhundertmitte (1858) bildeten sich in den Kreisstädten Daun, Bitburg und Wittlich eigene Gemeinden. (Bärsch, Lebenerinnerungen S. 133 - 134).

Wie man hier in Bitburg zu dem andersgläubigen Monarchen stand, zeigt eine Begebenheit des Jahrs 1854. Der preußische Prinz, der spätere Kaiser Wilhelm I., besuchte die Rheinprovinz und fuhr, von Prüm kommend, mit der Kutsche in die Kreisstadt ein. Die Geistlichen der Stadt aber weigerten sich, wie es bei solch hohem Besuche früher üblich war, die Kirchenglocken zu läuten. Als Begründung gaben sie an, daß geweihte Kirchenglocken nicht zum Empfang eines Andersgläubigen geschlagen werden dürften. Das hatte zwar für die Geistlichen ein Nachspiel, aber der Vorfall zeigt, wie zurückhaltend und wie erzkonservativ die Eifler und Bitburger waren. Wenn es auch im "tollen Jahr 1848" in Koblenz beispielsweise zu einer Annäherung zwischen Katholiken und Protestanten im sogenannten "frommen Club" kam, so spielte doch eher in den rein-katholischen Gebieten des Trierer Landes die emotionsgeladene Atmosphäre dieses Jahres neue Antipathien hoch. So berichtete der Trierer Regierungspräsident 1849 (24. Okt.) dem Oberpräsidenten von einer "feindlichen Gesinnung des hiesigen katholischen Clerus gegen das preußische Gouvernement, erklärlich durch konfessionelle Antipathien und durch den überall hervortretenden Widerwillen der katholischen Kirche, sich einem evangelischen Staatsoberhaupte irgend zu fügen."

Ein Vorfall sei hier erwähnt, auch wenn er in einiger Entfernung, nämlich in Erpel am Rhein sich 1851 abspielte. Am 13.2.1851 war dort ein evangelischer Herr von Arnim auf dem Friedhof beigesetzt worden. Die Beerdigung wurde nicht nur pöbelhaft gestört, das Grab wurde sogar gewaltsam geöffnet, schließlich mußte ein Kommando von 40 Soldaten anrücken, um das Grab zu schützen. Ein ähnlicher Vorfall wird aus Hermeskeil berichtet, wo der katholische Geistliche bestraft wurde, weil er die Beerdigung eines Evangelischen auf dem Friedhof gestört hatte (LHAK 441, 3445, S. 593). - Gewiß, es gab Dinge, durch die die religiösen Gefühle der Menschen verletzt wurden. So bestand in Preußen seit 1832 eine Verordnung, nach der katholische Soldaten gezwungen waren, dem evangelischen Militärgottesdienst beizuwohnen (Behr, Provinz S. 65).

Die Jahre des Kulturkampfes (nach 1872) führten zu neuen Höhepunkten mit vielen unschönen Szenen im Zusammenleben zwischen Katholiken und Evangelischen in der Region. So berichtete Bürgermeister Weis aus Wolsfeld dem Bitburger Landrat 1874 über zwei Predigten des Bettinger Pfarrers Hormisch. Danach soll der Pfarrer in seinen Predigten ausgeführt haben, daß "Calvin und Luther keine echten Religionsgründer" seien, weil "bei beiden die Wunder fehlen. Nach dem gegebenen Zusammenhang der Predigten muß unser König und Kaiser bei den Zuhörern als das Oberhaupt einer Kirche und Lehre erscheinen, die Hurerei und jede Ungerechtigkeit als erlaubt und verbunden mit starkem Glauben als selig machend verkündet" werde (LHAK 442, Nr. 1932, S. 7 - 9). Die Folge der Predigten war, daß der Bettinger Pfarrer "wegen Aufreizung des Publikums und Beschimpfung der evangelischen Religion" zu drei Monaten Gefängnis verurteilt wurde. (LHAK 442, Nr. 5073, fol. 30). Das war - es muß hier leider gesagt werden - kein Einzelfall.

Und doch gibt es gerade in dieser Zeit - und zwar hier in Bitburg - ein schönes Beispiel für friedliches Zusammenleben und Zusammenfeiern. Auf den Tag genau, heute vor 125 Jahren, also am 28. Oktober 1875, wurde hier an dieser Stelle die evangelische Kirche eingeweiht, und dieses Fest vereinte offenbar in unserer Stadt Katholiken und Evangelische. Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen aus dem damaligen Bericht die zwei ersten Sätze vorlese: "Eine erhebende Feier war es, die heute eine große Menge evangelischer und katholischer Christen, Einheimische und Fremde, hier zusammenführte. Es galt, die neue evangelische Kirche einzuweihen, welche sich so überraschend schnell am Ende unserer Stadt erhoben." Ausdrücklich wird in dem Bericht erwähnt, daß bei der musikalischen Gestaltung katholische und evangelische Christen gemeinsam musizierten. - Zum Bau der 1. evangelischen Kirche steuerte Kaiser Wilhelm I. 2000 Taler bei - ob er sich dabei an den unfreundlichen Empfang erinnerte, der ihm rund 20 Jahre vorher in Bitburg gegeben wurde, wissen wir nicht, vielleicht hat es ja mit dazu beigetragen, daß er spendenfreudig war und so die kleine Gemeinde, die nicht einmal 150 Seelen umfaßte, unterstützte. - Die Kirche stand: Aus der Vikariatstelle Bitburg, die es offiziell 20 Jahre lang gegeben hatte (seit 1855), wurde eine evangelische Pfarrstelle.

Aber dennoch - wie heute waren die Zeiten nicht. Wie sehr das Verhältnis zwischen Katholiken und Evangelischen vor 120 Jahren auch in Bitburg zumindest zeitweise vergiftet war, zeigt eine Pressemitteilung. In der Bitburger Zeitung (21.5.1878) Bürgermeister Hubert Prim machte bekannt: "An der hiesigen evangelischen Kirche sind in den letzten Wochen unvorsichtig oder böswillig mit Koth und Steinen mehrfach Fensterscheiben eingeworfen wurden. Ich ersuche jeden, auf die Täter zu achten und sie eventuelle zur Anzeige zu bringen."

Wie fanatisch, man selbst 1900 noch in den Eifeldörfern dachte, zeigt das Beispiel des bekannten Dichters Peter Zirbes aus Niederkail. Er konvertierte 1900 wegen Differenzen, die er mit dem Ortspfarrer hatte, zum Protestantismus. In einem Dorf lebend, in dem sonst nur Katholiken wohnten, mußte er ein Jahr später, damals schon ein alter Mann, erleben, daß eine aufgebrachte du fanatische Dorfjugend ihm das Dach über dem Kopf anzündete. Nur mit Mühe konnte der von der Gicht geplagte Mann aus dem brennenden Haus gerettet werden. Bei seiner Beerdigung mußten Polizisten einschreiten, um die aufgebrachte katholische Bevölkerung zurückzuhalten.

Wir haben - Gott sei Dank - diese Szenen, die also vor genau 100 Jahren ganz hier in der Nähe gab, im Geiste überwunden und vergessen. Wenn man sich fragt, was denn mit zur Versöhnung der Religionen - in unserm Land - beigetragen hat, dann waren das sicher nicht die großen Reden, es waren nicht die klugen Predigten, es war - so glaube ich - die ganz kleinen Schritte, die an der Basis geschahen, und bei einzelnen Geistlichen.

Und ich möchte zum Schluß wieder zu meinem eigenen Erleben zurückkommen. Ich erinnere mich, daß mein Vater, der als Frontsoldat im 1. Weltkrieg vor Verdun lag, uns wiederholt sagte, wie beeindruckt er gewesen sei von einem evangelischen Geistlichen, der mit ihnen damals die Hölle von Verdun durchlitten hatte und wie er erlebt habe, daß die Evangelischen, die neben Katholiken in Todesangst lagen, mit ihnen zusammen gefleht und gebetet hätten, und daß doch eigentlich gar kein großer Unterschied zwischen den Christen evangelischen und katholischen Glaubens sein könne. - Und wenn man hört, daß im 2. Weltkrieg etwa der katholische Pfarrer von Monschau in der Eifel auch die evangelischen Toten der Stadt beerdigte, weil der evangelische Geistliche im Feld stand.

Dies ist ein Vorgang, der ein Jahrhundert vorher unweigerlich zur Exkommunikation des Geistlichen geführt hätte. Die bedrückenden Erlebnisse eines antireligiösen und antichristlichen Geistes in der Diktatur, die Gründung einer gemeinsamen christlichen Partei nach dem 2. Weltkrieg, das alles hat entscheidend zu einer Aussöhnung und zu einem Miteinander geführt. Der Fanatismus, der bis zum 1. Weltkrieg herrschte, ist längst überlebt. Daß ich als Katholik hier zu einem Fest unserer evangelischen Gemeinde sprechen darf, das sehe ich als eine Auszeichnung an. Die Zeiten, daß es mir wie Peter Zirbes vor 100 Jahren ergehen könne, sind in der Eifel vorbei. So können wir heute auch nur hoffen, daß Verantwortliche aller Religionen den Weg zueinander finden und daß die erschütternden Bilder Nordirlands, die uns abends in den Fernseh-Nachrichten aufschrecken lassen - bald der Geschichte angehören mögen.

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